Über die einigende Kraft des Singens: Singasylum Dresden Drucken

Auszeichnung für beispielhaftes gesellschaftlich-soziales/europäisches Engagement

Thumbnail imageIn der heutigen Zeit, in der das Schicksal vieler Geflüchteter den gesellschaftlichen Alltag vielerorts in der Bundesrepublik bestimmt, ist die Suche nach geeigneten Mitteln und Wegen hin zu einer besseren Integration mehr denn je ein wichtiges Thema. Die sinnstiftende und einigende Kraft kultureller Betätigung und damit auch des Singens ist allgemein bekannt und vielfach bestätigt. Aus dieser Motivation heraus gründete sich vor über zwei Jahren in Dresden der Chor Singasylum. Neben einem hohen Integrationsfaktor stand bei den Initiatoren auch der Wunsch Pate, den rassistischen Auswüchsen und Tendenzen bewusst etwas entgegen zu setzen. Befragt man Elisabeth Struck und Samira Nasser stellt sich rasch der Eindruck ein, dass ein solches Unterfangen zum Erfolg führen kann.

„Wir haben aus jedem Garten eine Rose“ (arabisches Sprichwort)

Es ist das letzte Zusammentreffen in diesem Jahr, bevor sich die Mitglieder vom Dresdner Singasylum-Chor in die Weihnachtspause verabschieden. Rund 18 Chöre haben sich am 16. Dezember 2017 zur Preisverleihung der besten Dresdner Laienchöre im Kulturpalast eingefunden. Nachdem alle Nominierten in der Kategorie „gesellschaftlich-soziales/europäisches Engagement“ ein Stück dargeboten haben dann der große Moment: Singasylum belegt den ersten Platz und darf ein Preisgeld von 1.000 Euro mit nach Hause nehmen!

Wenn wir unsere Sänger und Sängerinnen rückblickend fragen, welcher Moment im Jahr 2017 wohl der schönste war, so zählt eben dieser Augenblick der Preisverkündung und der anschließende kaum abreißende Applaus mit zu denen, der allen noch lange im Gedächtnis bleiben wird. Viele hatten vorher noch nie auf einer Bühne gestanden, geschweige denn bei einem Konzert mitgewirkt. Doch auch für diejenigen, die seit der Gründung des Projekts vor knapp zweieinhalb Jahren mit dabei sind, war es ein Konzert der besonderen Art. Denn der Preis würdigte uns vor allem auch als Chor und nicht nur als Integrationsprojekt. In Dresden ist ein solcher Chor noch immer eine Positionierung, noch nichts Normales, Gewöhnliches, rein Musikalisches. Geflüchtete nehmen trotz verschiedener Übergriffe, die sich in der Vergangenheit ereignet haben, jede Woche den Weg zu einem unserer zwei Dresdner Standorte auf sich, um zu unserem Chor zu kommen. Aber auch nicht geflüchtete Mitglieder erleben bis heute immer noch Ablehnung, weil sie sich zu uns bekennen – bis hin zu der Konsequenz, dass die Kontakte seitens der Geschwister und selbst der eigenen Kinder völlig abgebrochen werden.

Die Gründung des Chores Singasylum im Frühjahr 2015 war damals für uns, eine kleine Gruppe von Dresdner Studentinnen, eine Art Antwort auf die rassistischen Anfeindungen und Übergriffe auf die Geflüchteten in unserer Stadt. Der montäglichen Pegida-Demos überdrüssig, wollten wir damals eine Möglichkeit schaffen, neue und alte Bewohner_Innen auf unkomplizierte Art und Weise miteinander in Kontakt zu bringen, Vorurteile abzubauen, und den Geflüchteten ihr neues Zuhause ein wenig lebenswerter zu machen. Die Musik erschien uns damals als die einzige Sprache, über die wir alle miteinander kommunizieren konnten.

In der Realität war es anfangs jedoch gar nicht immer so einfach, diese gemeinsame Sprache zu finden. Die Teilnehmenden kamen mit den unterschiedlichsten musikalischen Prägungen und Vorerfahrungen zu uns. Ein Lied, das alle Sänger_Innen schon von Beginn an kennen, gibt es in unserem Chor schlichtweg nicht. Manchmal haben wir Glück und es gibt „Jingle Bells“ auf Arabisch, aber das muss nicht heißen, dass das Lied auch in Somalia und Eritrea bekannt ist. Deshalb sind unsere Teilnehmenden dazu aufgefordert, selbst Liedvorschläge einzubringen. Und somit ist unser Repertoire eine bunte Mischung aus aller Welt, und jeder darf dem anderen einmal ein Lied in seiner Muttersprache beibringen.

Thumbnail imageIn den zweieinhalb Jahren ist seither Vieles passiert. Wir haben einen Verein gegründet, durften einen Fototermin mit der Bundeskanzlerin wahrnehmen, und unser Organisations-Team besteht inzwischen nicht mehr nur aus deutschen Studierenden, sondern auch aus Geflüchteten. Freundschaften sind entstanden, auch durch die zahlreichen Freizeitaktivitäten, die wir zusätzlich zu den wöchentlichen Proben organisieren. 2018 soll eine kleine CD-Aufnahme gemacht und ein gemeinsames musikalisches Projekt mit dem Festspielhaus Hellerau umgesetzt werden.

So starten wir auch in das neue Jahr 2018 mit unserem Motto „Sing it loud, sing it clear – refugees are welcome here“!

Und wer weiß, vielleicht gibt es bald schon einen weiteren Standort…?

Elisabeth Struck, Samira Nasser/Singasylum Dresden, VDKC
10.01.2018

­­­­­­­­­­­­­Fotos: Mitglieder von Singasylum Dresden (Chor), Singasylum Dresden mit der Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel am 31.05.2016 (Jesco Denzel)