60 Jahre Monteverdi‐Chor Hamburg Drucken

Feierlichkeiten im Jubiläumsjahr 2015

Thumbnail imageMit einem festlichen Jubiläumskonzert feierte der Monteverdi‐Chor Hamburg am Samstag, dem 28. Februar 2015 in der Hauptkirche St. Michaelis sein 60jähriges Bestehen. Auf dem Programm standen zwei Werke italienischer Komponisten, die „Missa di Gloria“ von Giacomo Puccini und das „Stabat Mater“ von Giacchino Rossini. Mit diesem italienischen Programm wollte Dirigent Gothart Stier an die Anfänge des Monteverdi‐Chors erinnern.

1955 suchte das Italienische Kulturinstitut in der Hansastraße einen Leiter für seinen kleinen Chor und entschied sich auf Grund zahlreicher Empfehlungsschreiben für Jürgen Jürgens. Am 14. März 1955 fand die erste Probe des bald auf Vorschlag des Institutsdirektors Dr. Marianello Marianelli in Monteverdi‐Chor umbenannten Chores in der Hansastraße statt. Das neue Ensemble zog junge Sängerinnen und Sänger an, vor allem Studenten der nahegelegenen Universität, und machte sich schnell einen guten Namen. Es bot interessante Programme an, machte Rundfunkaufnahmen und reiste als einer der ersten deutschen Chöre zu internationalen Wettbewerben ins Ausland. 1959 wurde der Chor, der sich inzwischen zu einem Spitzenensemble entwickelt hatte, zum ersten Mal in Arezzo/Italien mit einem 1. Preis ausgezeichnet, dem viele weitere Auszeichnungen folgten.

Zu jener Zeit existierte am Musikwissenschaftlichen Institut ein kleines „Collegium musicum“ für das der neu berufenen Direktor Prof. Dr. Georg von Dadelsen einen Leiter suchte. Er entschied sich für Jürgen Jürgens, der neben seiner Qualifikation als Dirigent ein junges, funktionierendes Ensemble in die Arbeit an der Universität einbringen und dadurch diesem „Collegium musicum“ neue, moderne Impulse geben konnte. Zum Sommersemester 1961 übernahm Jürgens zunächst als Lehrbeauftragter die Leitung des in „Akademische Musikpflege“ umbenannten „Collegium musicum“ und gründete Chor und Orchester der Universität. Dabei war ihm der Monteverdi‐Chor, den er „sozusagen als Einstandsgeschenk mit an die Universität brachte“ eine unersetzliche Hilfe. Nach anfänglichen Odysseen in verschiedenen Räumen der Universität fand die neue Akademische Musikpflege, zu der von nun auch der Monteverdi‐Chor gehörte, im Hörsaal des Musikwissenschaftlichen Instituts, Neue Rabenstraße 13, bis heute ideale Arbeitsbedingungen.

Während die Arbeit mit Chor und Orchester der Universität auf die Semester beschränkt war und in der Erarbeitung großer Oratorien für das alljährliche, von Jürgen Jürgens neu eingeführte Universitäts‐Konzert bestand, lag der Arbeitsschwerpunkt des Monteverdi‐Chors als Kammerchor der Universität auf dem Gebiet der a‐cappella‐Musik und in späteren Jahren vermehrt auch auf dem Gebiet der alten Musik. Selbstverständlich wirkte der Monteverdi‐ Chor auch an allen Universitäts‐Konzerten mit.

Thumbnail imageDie in Hamburg damals ansässige Schallplattenindustrie, wurde auf den inzwischen mehrfach preisgekrönten Chor aufmerksam. 1962 begann mit der Weihnachts‐Platte „In dulci jubilo“ eine mehrjährige Zusammenarbeit mit dem „Alten Werk“ der Firma Teldefunken. Die 1966 in Wien zusammen mit dem Concentus musicus Wien von Nikolaus Harnoncourt produzierte legendäre und vielfach ausgezeichnete Schallplatten‐Aufnahme der „Marien‐Vesper“ von Claudio Monteverdi machten den Monteverdi‐Chor Hamburg weltweit bekannt. Einladungen zu Internationalen Festivals waren die Folge. Der Monteverdi‐Chor wurde zum musikalischen Botschafter der Universität im In‐ und Ausland. Es folgten zahlreiche weitere Schallplatten‐Aufnahmen, die vielfach mit Preise ausgezeichnet wurden. Auch nahm der Chor weiterhin an Wettbewerben teil und konnte zahlreiche erste Preise nach Hamburg holen.

Für seine Verdienste um das Hamburger Musikleben wurde der Monteverdi‐Chor vom Senat der Freien und Hansestadt Hamburg bereits 1976 mit der Johannes‐Brahms‐Medaille ausgezeichnet. Mit 68 Jahren übergab Jürgen Jürgens 1993 die Leitung von Chor und Orchester der Universität an den niederländischen Dirigenten Bruno de Greeve in einem gemeinsamen Amtswechsel‐Konzert. Die Leitung des Monteverdi‐Chors blieb weiterhin in seinen Händen.

Insgesamt leitete Jürgen Jürgens den Monteverdi‐Chor Hamburg fast 40 Jahre lang mit anhaltendem Erfolg. 1994 erkrankte er und musste eine von langer Hand mit Hilfe der Universität vorbereitete Konzertreise nach St. Petersburg absagen. Für ihn übernahm auf Empfehlung der Leipziger Konzertsänger und Dirigent Gothart Stier die Leitung des Chores auf dieser Reise und hinterließ bei den Chormitgliedern einen tiefen Eindruck. Danach vertrat er den erkrankten Jürgens nur wenige Monate später bei einer umjubelten Aufführung von Händels „Messias“ in der Hauptkirche St. Michaelis im Rahmen des Weltraumkongresses „COSPAR“. Wenige Wochen später verstarb Jürgen Jürgens. Gothart Stier erklärte sich bereit, die Leitung des Chores ohne Vorbedingungen zu übernehmen. Seitdem probt der renommierte Dirigent alle zwei Wochen an Wochenenden ehrenamtlich mit dem Monteverdi‐Chor.

Mit Gothart Stier übernahm wiederum ein genialer Musiker die Leitung des berühmten Chores, der als Konzertsänger und Dirigent der mitteldeutschen Musiktradition verbunden ist. Er schrieb die Erfolgsgeschichte des Chores fort, wobei er durch seine Repertoire‐ Gestaltung neue Akzente setzte. Neben Werken der Alten Musik gehören auch die romantische und die zeitgenössische Chormusik zum vielseitigen Repertoire des Monteverdi‐ Chors. Obwohl traditionell der a‐cappella‐Chormusik verpflichtet, hat der Chor unter der Leitung von Gothart Stier auch mit seinen Aufführungen großer klassischer und romantischer Chorsinfonik in Zusammenarbeit mit dem Philharmonischen Staatsorchester Halle, dem Mitteldeutschen Kammerorchester, dem Neuen Bachischen Collegium Musicum Leipzig und Mitgliedern des Gewandhausorchesters, die teilweise auf CD dokumentiert sind, im In‐ und Ausland Erfolge feiern können.

Konzertreisen unternahm der Monteverdi‐Chor mit Gothart Stier in zahlreiche deutsche Städte in Ost‐ und West, ins Baltikum, nach Polen, Russland, Latein‐ und Südamerika, China und Israel. Die letzte große Reise führte im Oktober 2014 nach Kaliningrad und Moskau, wo der Chor vom Publikum begeistert gefeiert wurde. Das Moskauer Konzert, eine Aufführung der „Schöpfung“ von Joseph Haydn zusammen mit dem Musica Viva Orchester Moskau wurde live im Internet übertragen.

Für seine Verdienste um das Hamburger Musikleben wurde Gothart Stier 2009 vom Senat der Freien und Hansestadt Hamburg mit der Bürgermeister Biermann‐Rathjen‐Medaille ausgezeichnet.

Ursula Jürgens
26.11.2015