Dritter Runder Tisch der Amateurmusik in Zeiten der Pandemie Drucken

Kompetente Referenten berichteten über neue Erkenntnisse und vermittelten aktuelles Stimmungsbild
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Am 26. Januar riefen der Bundestagsabgeordnete Helge Lindh und der Bundesmusikverband Chor und Orchester (BMCO) zum wiederholten Male zum Austausch zur aktuellen Situation der Amateurmusik auf. Die Teilnahme von etwa 90 Interessierten über die Plattform „Zoom“ sowie eine rege Diskussion zeigten, wie groß der Wunsch ist, möglichst bald wieder gemeinsam Musizieren zu können. Die Themen des Abends waren breit gefächert und reichten von der aktuellen Forschung zur Aerosolverbreitung über die Situation der Kirchenchöre und Forderungen an die Politik bis hin zu kreativen Lösungen der Probenarbeit durch digitale Angebote.

Auch bei dieser Veranstaltung war der Verband Deutscher KonzertChöre wieder vertreten. Gerade in der aktuellen Situation sieht VDKC-Generalsekretär Ralf Schöne einen steten Informationsaustausch und Wissenstransfer als eine der drängendsten Aufgaben des VDKC an.

Der Physiker Prof. Dr. Eberhard Bodenschatz (Direktor und Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation) berichtete in seinem Impulsvortrag von den wirkungsvollsten Mund- und Nasenbedeckungen, welche das Singen als auch das Musizieren mit Blasinstrumenten aufgrund von besonders guter Filterung wieder möglich machen könnten. Wichtig sei vor allem, dass diese eine große Oberfläche haben, nicht aus einfachem Stoff gefertigt sind und auch an den Seiten keine Luft nach außen dringen kann. Als am besten geeignet bezeichnete der Wissenschaftlicher die sogenannten „Schnabeltiermasken“. Ein Video aus dem Forschungsprozess veranschaulichte, wie sehr der richtige Schutz sowie ein durchdachtes Lüftungskonzept die Aerosole von einer Verbreitung im Raum abhalten können. Der Physiker kam zu dem Schluss, dass die Einweg-OP-Masken, abgesehen von ihren Öffnungen an den Seiten, einen ebenso wirkungsvollen Schutz für das Gegenüber bieten wie die viel besprochenen FFP2-Masken. Als Abdichtung für die OP-Masken empfahl er beispielswese Perückenband. Trotzdem muss bedacht werden, dass das gemeinsame Singen oder auch lautes Sprechen ein deutlich erhöhtes Ansteckungsrisiko mit sich bringen.

Klare und einheitliche Regelungen wurden von Martina Hergt (Fachbeauftragte für Chor- und Singarbeit der evangelischen Landeskirche Sachsen) gefordert, um künftig den gemeinsamen Gesang, welcher im kirchlichen Umfeld immer auch Religionsausübung bedeutet, wieder erklingen zu lassen. Prof. Christian Höppner (Generalsekretär des Deutschen Musikrats) bestärkte seine Vorrednerin und stellte fest: Es fehlt nicht an wissenschaftlichen Erkenntnissen, sondern vor allem an deren Kommunikation mit der Basis. Er forderte die Stärkung der kulturpolitischen Arbeit in allen Mitgliedsverbänden und eine nachvollziehbare Strategie zur Wiedereröffnung von kulturellen Orten. Nach und nach sollten demnach Proben, später Auftritte mit kleiner Besetzung und schließlich auch Konzerte mit größeren Ensembles wieder möglich sein, denn laut Höppner sei der Informationsstand über die Ausbreitung des Virus groß, jedoch würde das Wissen nicht ausführlich und praxisnah genug vermittelt. Es gäbe also kein Erkenntnis-, sondern vielmehr ein Umsetzungsproblem. Höppner kam zu dem Schluss: „Es muss darum gehen, Kultur zu ermöglichen!“ Dazu sollten auch die Haushalte der Länder die finanziellen Engpässe zukünftig mitdenken, welche durch die Pandemie entstehen und nicht kurzfristig aufzufangen sind. Grundsätzlich ist eine gemeinsame Herangehensweise aller statt „Verteilungskämpfe“ wünschenswert.

Sonja Greiner (European Choral Association) stellte schließlich das Programm „digital stage“ vor, welches als gemeinnütziges Projekt das Ziel verfolgt, ohne technische oder finanzielle Hürden und mit geringer Latenz über das Internet gemeinsam zu Musizieren. Im Gegensatz zu vergleichbaren Programmen sind hier eine Videoverbindung, voraussichtlich große Gruppengrößen und eine ausgefeilte und individuelle Audiomischung für die MusikerInnen möglich. So ist beispielsweise ein 3D-Audio-Sound wählbar, der den Musizierenden den Eindruck vermittelt, sich tatsächlich im selben Raum zu befinden. Mithilfe von den drei unterschiedlichen Nutzungsoptionen über den Browser, eine App auf jedem internetfähigen Endgerät oder die extra entwickelte Box sollte für jede/n etwas dabei sein. Noch befindet sich die Software in der Testphase, doch schon bald soll sie interessierten Ensembles zur Verfügung stehen. Finanziert wird „digital stage“ durch die Mitgliedsbeiträge von kooperierenden Verbänden, die wiederum ihren Chören und Orchestern einen kostenlosen Zugang vermitteln können. Mehr Informationen gibt es unter https://digital-stage.org/

Ein weiterer Runder Tisch der Amateurmusik soll Ende Februar folgen; der Termin wird rechtzeitig bekannt gegeben. Dieses Mal soll der Schwerpunkt auf nur einem bestimmten Thema liegen, um sich ausführlich damit auseinandersetzen zu können.

Judith Bock, VDKC
03.02.2021