Wahlprüfsteine: Fragen zum Amateurmusikbereich an die Politik zur Bundestagswahl 2021 Drucken

Bundesmusikverband Chor & Orchester fragt kritisch nach

Am 26. September 2021 wird die Wahl zum 20. Deutschen Bundestag stattfinden. Das Ereignis nimmt durch die mediale Berichterstattung, zusätzliche Fernseh-Debatten der KandidatInnen und eine zunehmende Diskussion um Zukunftsthemen an Fahrt auf.

Wie die einzelnen Parteien zu kulturpolitischen Themen stehen und – insbesondere auch für die Chorszene relevant – welche Maßnahmen und Pläne sie für den Amateurmusikbereich vorsehen, hat der Bundesmusikverband Chor & Orchester (BMCO) mit acht Fragen an die im Bundestag vertretenen Parteien* abgefragt.

Auszugsweise sind hier drei der wichtigsten Fragen wiedergegeben:

Welchen Stellenwert nimmt die Amateurmusik im kulturpolitischen Verständnis Ihrer Partei ein?

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Wir bewahren unsere Traditionen. Für CDU und CSU ist der Kulturföderalismus in Deutschland mit seinem historisch gewachsenen Reichtum an regionalen Identitäten eine bereichernde Kraft der Vielfalt, die es zu wahren gilt. Wir stehen für die Pflege und den Erhalt alter Bräuche, Trachten und Volkstänze sowie heimatlichen Liedguts.

Logo SPDSPD

Laien- und Amateurmusizieren sind als immaterielles Kulturerbe anerkannt und wirken in die Breite der Gesellschaft. Deutschland besitzt durch seine vielfältige Musikkultur einen einzigartigen Schatz an Orten und Institutionen, Musik zu hören, zu spielen und zu lernen. So musizieren rund 14 Millionen Deutsche im Hobby. Selbst kleinere Kommunen bieten über die Amateurmusik ein buntes und vielfältiges Angebot für kirchliche oder weltliche Musizierende an. Viele Gemeinden organisieren Musikveranstaltungen und laden so zu Konzerten ein. Diesen Schatz gilt es zu bewahren und zu fördern. Musik überwindet zudem Grenzen, fördert Vielfalt, Engagement und Haltung. Jeder Bürgerin und jedem Bürger sollte – unabhängig von sozialer oder ethnischer Herkunft – der Zugang zu Musik ermöglicht werden. Die SPD wird sich auch weiterhin für die Stärkung der Musik und die Förderung der Musikerinnen und Musiker einsetzen.

Logo FDPFDP

Die Amateurmusik, die Chöre und Orchester, sind ein unverzichtbarer Bestandteil des Musiklandes Deutschland. Das ehrenamtliche Engagement kommt der kulturellen Vielfalt im Land unmittelbar zugute, gerade auch in den ländlichen Gebieten. Daher setzen wir uns für die Förderung und nachhaltige Stärkung der Strukturen der Amateurmusik sowie des Ehrenamts ein, denn wir sehen sie als Bereicherung unserer Gesellschaft.

Logo Die LinkeDie Linke

DIE LINKE zollt dem Umstand Respekt, dass 14 Millionen Menschen in Deutschland in ihrer Freizeit musizieren und allein 100.000 Ensembles zumindest bis zur Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 für circa 1.400 Konzerte und Aufführungen täglich – und bundesweit – die Verantwortung trugen. Dieses Engagement kann gar nicht hoch genug geschätzt werden. Die nötigen Eindämmungsmassnahmen schränkten dann folgend die Amateurmusik und den gesamten Kulturbetrieb stark ein. Viele – auch ehrenamtlich tätige – Künstler*innen und Kulturschaffende sind daher innerhalb

Logo GrüneBündnis 90 Die Grünen

Einen hohen Stellenwert! Grüne Kulturpolitik hat nicht nur den professionellen Musikbetrieb im Blick, sondern auch den großen Bereich der Amateurmusik. Denn ein aktives Kulturleben, an dem alle teilnehmen können, ist die Basis von demokratischen Gesellschaften. Deshalb muss die ganze Vielfalt kultureller Aktivitäten politisch unterstützt werden. Und gerade beim gemeinsamen Musikmachen werden für das gesellschaftliche Zusammenleben so wichtige Kompetenzen wie Empathie und Teamdenken eingeübt. Musik lässt uns fühlen, wer wir sind und sein können, was wir wollen und wirklich brauchen.

Welche konkreten Maßnahmen und Angebote plant ihre Partei, um den 14,3 Millionen Menschen, die in Deutschland in ihrer Freizeit musizieren und durch die Corona-Pandemie stark beeinträchtigt und verunsichert wurden, den musikalischen Wiedereinstieg zu erleichtern?

CDU

CDU und CSU haben im Rahmen des rund eine Milliarde Euro umfassenden Rettungs- und Zukunftsprogramms „Neustart Kultur“ auch die Musikvereine vor Ort unterstützt. Dabei wurden die neuen Förderinitiativen des Bundes und der Länder so abgestimmt, dass die Programme einander ergänzen. So konnten bei akuten Engpässen in der Vereinskasse Kurzarbeitergeld für Vereinsangestellte sowie Liquiditäts-hilfen und Steuerstundungen von den Vereinsverantwortlichen beantragt werden. Auch boten die Kommunen den Erlass von Stornogebühren für abgesagte Veranstaltungen in Stadthallen oder für Mieten für gemeindeeigene Probenräume an, die genutzt werden konnten.

Konkret haben CDU und CSU im Rahmen der Haushaltsberatungen 2021 beschlossen, dass die Laufzeiten der einzelnen Förderlinien des Rettungs- und Zukunftspro-gramms NEUSTART KULTUR bis Ende 2022 verlängert werden können und stehen für deren administrative Abwicklung, soweit erforderlich, sogar noch im Jahr 2023 zur

SPD

Kultur leistet einen wichtigen Beitrag für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft. Kulturräume sind zentrale Erlebnis- und Bildungsorte für alle Alters- und alle Bevölkerungsgruppen. In absehbarer Zukunft werden uns auch hier Hygienekonzepte und Abstandsregelungen stete Begleitung sein. Für Kultureinrichtungen ist aber Planungssicherheit mit Blick auf das Offenhalten ein ebenso wichtiger Aspekt. Die SPD unterstützt die Idee, dass beispielsweise über eine bundesweite Werbekampagne auf die Wiedereröffnung von Kultureinrichtungen aufmerksam gemacht wird. Allen Menschen muss vermittelt werden, dass sie sich wieder auf kulturelle Erlebnisse im Großen wie im Kleinen freuen können.

FDP

Wie bereits in der Antwort auf die zweite Frage geschildert, hat die Fraktion der Freien Demokraten im Bundestag einen Antrag mit dem Titel "Jugend im Lockdown – Zeit für eine generationengerechte Krisenpolitik" (BT-Drs. 19/28436) eingebracht. Darin schildern wir unsere Bedenken und zeigen Möglichkeiten auf, um auch der Amateur-musik einen Neustart aus der Pandemie zu ermöglichen. Weiterhin wollen wir Freie Demokraten den Schutz der Amateurmusik und Zugänglichkeit zu ihr fördern und gewährleisten. Auch wollen wir die Zusammenarbeit von Schulen mit außerschulischen Vereinen, Verbänden und Institutionen gezielt fördern und unterstützen. Davon werden auch künstlerisch-musische Akteure und beispielsweise auch lokale Musikschulen, Chorverbände oder auch Musikbands profitieren.

Die Linke

DIE LINKE fordert die Bereitstellung von weiteren Geldern zum Erhalt von kultureller Infrastruktur im städtischen und ländlichen Raum. Gerade außerhalb von urbanen Zentren muss gewährleistet sein, dass kulturelle Teilhabe gesichert und ausgebaut werden kann. Dazu gehört neben der infrastrukturellen Unterstützung bereits vorhandener Einrichtungen und Initiativen sowie kultureller Dach- und Spartenverbände eine nachhaltige Schaffung guter Rahmenbedingungen für künstlerische Prozesse und die Amateurmusik. Künstler*innen und Kulturrezipient*innen dürfen nicht länger ausschließlich in urbane Räume verdrängt werden. Kunst und Kultur, sowie breiten-und soziokulturelle Teilhabe sind Ankerpunkte für die Attraktivität des ländlichen Raumes. Diesen gilt es durch das Ermöglichen von gleichwertigen Lebensverhältnissen zu stärken. Dabei spielen Kunst und Kultur eine essenzielle Rolle.

Bündnis 90 Die Grünen

Wir GRÜNE denken da vor allem an Kinder und Jugendliche, die gerne wieder musizieren wollen. Musikschulen können gerade in Zeiten der Pandemie einen wichtigen Beitrag leisten, damit Kinder und Jugendliche gut durch die Krise kommen. Mit einem Bildungsschutzschirm für Kinder und Jugendliche wollen wir als grüne Bundestagsfraktion deshalb dafür sorgen, dass alle jungen Menschen sicher und stark durch die Krise kommen. Mit dem Bildungsschutzschirm möchten wir Musikschulen und Musiker*innen dabei unterstützen, ihre für die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen wichtige pädagogische Arbeit trotz und während der pandemiebedingten Einschränkungen sicher fortführen zu können.

Amateurmusik findet meist in ehrenamtlich getragenen Strukturen statt, die in vielen Fällen die gleichen administrativen Anforderungen wie Unternehmen erfüllen müssen. An welchen Stellen können Sie sich hier Entlastungen vorstellen?

CDU

CDU und CSU wollen auch weiterhin, dass das Ehrenamt per Definition freiwillig und unentgeltlich geleistete Arbeit bleibt, für die kein Einkommen erzielt wird und von Maßnahmen der Arbeits- und Beschäftigungsförderung getrennt betrachtet wird.

Wie keine andere Partei haben CDU und CSU das Ehrenamt in unserem Land gefördert. Zur weiteren Stärkung von Vereinen und ehrenamtlicher Arbeit haben wir uns 2021 auf weitere Steuervergünstigungen in Höhe von jährlich 100 Millionen Euro verständigt: Konkret wurde die steuerfreie Übungsleiterpauschale von jährlich 2.400 auf 3.000 Euro erhöht, bei der Ehrenamtspauschale können künftig 840 statt bisher 720 Euro gezahlt werden, die Umsatzgrenze für gemeinnützige Vereine wurde um 10.000 Euro auf 45.000 Euro angehoben.

Der Bundesfreiwilligendienst soll attraktiver werden – etwa durch die Anpassung des Taschengelds, eine breite Angebotsauswahl und die Verbesserung der Qualität der Angebote –und einen Rechtsanspruch einführen.

SPD

Wir wollen ehrenamtliches Engagement durch Bürokratieabbau und Verfahrensvereinfachungen erleichtern. Mit dem Jahressteuergesetz 2020 haben wir den Übungs-leiterfreibetrag und den Ehrenamtsfreibetrag erhöht und damit Ehrenamtliche von Nachweispflichten entlastet. Die steuerliche Freigrenze für wirtschaftliche Tätigkeiten gemeinnütziger Organisationen wurde auf 45.000 Euro angehoben. Wir werden vor allem die Digitalisierung nutzen, um die Anforderungen des Gemeinnützigkeits-rechts bürokratieärmer umzusetzen. Spendenbescheinigungen sollen künftig aus dem Einzahlungsvorgang möglichst ohne Zutun von Spender*innen und Zuwendungsempfänger*innen erstellt werden. Als technische Voraussetzung für solche digitalen Spendenbescheinigungen haben wir die Einrichtung eines zentralen, online einsehbaren Zuwendungsempfängerregisters beschlossen. Weitere Vereinfachungen für die gemeinnützigen Vereine wollen wir beim Nachweis der Mittelverwendung und der Bescheinigung von Aufwandsspenden schaffen.

FDP

Das Ehrenamt ist eine wichtige Stütze innerhalb unserer Gesellschaft. Die Kommunen in Deutschland brauchen mehr Freiräume - für Zukunftschancen, Vielfalt und Zusammenhalt. Wir Freie Demokraten wollen die Lebensqualität in städtischen und ländlichen Räumen verbessern. Ehrenamt, Sport und Kultur wollen wir durch gute Rahmenbedingungen unterstützen. Eine Stärkung des Ehrenamts bedeutet immer zugleich auch eine Förderung und Wertschätzung derjenigen, die sich ehrenamtlich engagieren. Wir Freie Demokraten wollen daher das Ehrenamt von Bürokratie und möglichen Haftungsrisiken entlasten. Den Zugang zu neuen digitalen Lösungen für Vereine wollen wir vereinfachen – etwa in den Bereichen Akquise und Verwaltung. Ehrenamt ist mehr als nur Freizeit. Das freiwillige Engagement tausender Bürgerinnen und Bürger ermöglicht Millionen von Menschen freie Entfaltung, Selbstwirksamkeit und vor allem Kindern und Jugendlichen wertvolle Lernprozesse. Es bringt Menschen unabhängig ihres sozialen und kulturellen Hintergrundes zusammen, stiftet Gemeinschaft und fördert Toleranz.

Die Linke

Um die Nahversorgung und Bewegungsorte zu stärken, gilt es, die vielen Engagierten vor Ort und damit das soziale und kulturelle Leben in ländlichen Gemeinden unbürokratisch zu fördern und durch die Bereitstellung von Räumen und technischen Einrichtungen sowie den Abbau überflüssiger Regularien und Förderrichtlinien zu unterstützen. Schließlich muss der soziale Zusammenhalt als ein Teil der Förderpolitik für den Ländlichen Raum anerkannt werden.

Bündnis 90 Die Grünen

In der Tat können an Engagement und Ehrenamt nicht die gleichen Anforderungen gestellt werden, wie an professionalisierte Strukturen in großen Unternehmen. Ebenso verfügen gerade viele kleine Vereine etc. nicht über die hauptamtlichen Strukturen hierfür. Wir GRÜNE fordern daher in der kommenden Wahlperiode ein breit aufgestelltes Entbürokratisierungsgesetz für das Ehrenamt, das sich damit beschäftigen soll, wie etwa bei der Umsetzung von Datenschutzvorgaben, der Abgaben-ordnung oder EU-Geldwäscheverordnung, im Zuwendungsrecht, im Bereich von Haftungs- und Versicherungsfragen oder der Anrechnung von Ehrenamtsvergütungen auf Sozial- bzw. SGB-Leistungen Erleichterungen erreicht werden können. Darüber hinaus wollen wir verhindern, dass durch künftige Gesetzesvorhaben (neue) bürokratische Hemmnisse für Ehrenamtliche und Engagierte und ihre Organisationen aufgebaut werden.

*BMCO: „Warum wir nicht mit der AfD sprechen: Der BMCO ist zwar überparteilich, aber nicht unpolitisch. Hass und Hetze gegen Menschen sind für uns nicht tragbar. Wenn führende Funktionäre einer Partei den Schutz und die Repräsentation von Minderheiten als Teil unseres demokratischen Systems ablehnen, widerspricht das den grundlegenden Werten des BMCO und einer weltoffenen, vielfältigen und vielstimmigen Musikkultur. Daher haben wir uns entschieden, die AfD nicht einzubeziehen und die Wahlprüfsteine nicht an die Partei zu übersenden.“

Der vollständige Fragenkatalog kann beim BMCO nach Fraktionen geordnet nachgelesen werden. 

BMCO, VDKC
15.09.2021