Wieder im Takt: Eindrücke vom 18. Internationalen Kammerchor-Wettbewerb Marktoberdorf Drucken

Chormusik im Allgäu vom 26. bis zum 30. Mai 2023

Thumbnail imageNach nur einjähriger Pause fand nach 2022 „schon“ wieder der internationale Kammerchorwettbewerb in Marktoberdorf statt. Damit ist der übliche Takt, alternierend mit dem Festival „Musica Sacra“, wieder hergestellt. Das Feld war wieder etwas größer – zwölf Chöre in zwei Kategorien – mit einem erfreulich hochwertigen Mittelfeld, was die Wettbewerbe und deren Ausgang noch spannender und die abendlichen Gemeinschaftskonzerte noch erbaulicher machte.

Hochkarätiger Rahmen
Die Sänger von sonat vox (Leitung: Justus Merkel), die 2022 eindrucksvoll nicht nur einen ersten Preis in der Jurywertung, sondern diverse Sonderpreise ersungen hatten, eröffneten die Gesamtveranstaltung mit dem traditionellen Muttertagskonzert, das am 14. Mai im bis auf den letzten Platz besetzten Richard-Wegenmeier-Saal der Bayerischen Musikakademie Marktoberdorf stattfand.

Für das Eröffnungskonzert, das den Wettbewerbstagen vorangeht, konnte der Kammerchor Stuttgart unter seinem Dirigenten Frieder Bernius gewonnen werden. Dieser erfreute nicht nur durch beste Diktion und stupende Gesangstechnik, sondern auch durch eine erlesene Programmauswahl. Selten zu hörende Psalmvertonungen von Otto Nicolai und Giacomo Meyerbeer kontrastierten mit Ausschnitten aus Francis Poulencs „Liberté“ und Gustav Mahlers „Urlicht“ in einer Bearbeitung des 2023 verstorbenen Clytus Gottwald. Auch das Geburtstagskind György Ligeti war im Programm würdig vertreten.

Die Moderation von Monika Schubert und Jeroen Schrijner erschloss dem zahlreich erschienenen Lokal- und Fachpublikum souverän und liebenswürdig alle Veranstaltungen. Wieder sind die gut funktionierende Technik und das Live-Stream-Angebot positiv zu erwähnen, ebenso die begeisterten Gastfamilien und vielen ehrenamtlichen Helfer, die Publikum und Chöre bestens betreut hatten. Sehr schade war der Wegfall des großen Zeltes, in dem sich alle Gruppen zwischen den Veranstaltungen hätten begegnen können. Die Verlagerung ins Foyer mag vorübergehend eine Lösung sein.

Während der Wertungssingen und in den Konzerten konnte das Publikum erleben, wie ähnlich die Darbietungen der Pflichtwerke klangen, aber wie unterschiedlich die Chöre mit Noten und Tonangaben umgingen. Die meisten Chöre sangen auswendig, bei ihren Dirigentinnen und Dirigenten war das erstaunlicherweise selten der Fall. Töne wurden überwiegend von der Stimmgabel gegeben, es gab aber trotz der Kritik des Vorjahres Chöre, die diese vom Flügel abnahmen. Beeindruckend war natürlich der absolut-hörende Dirigent Visa Yrjölä, der dem „Mieskuoro Euga“ den Anfang wie aus dem nichts vorsang.

Thumbnail imageInternationale Mischung im Wettbewerb
In der gemischten Kategorie waren Chöre aus den USA, Mexiko, Indonesien, den Philippinen, Slowenien, erstmals Georgien und erfreulicherweise der Ukraine vertreten, bei den gleichstimmigen Chören noch ein junger Männerchor aus Finnland.

Einen 1. Preis gab es für „Los Cantanted de Manila“ (Leitung: Darwin Vargas), 2. Preise punktgleich für die „UGA Hodgson Singers“ (Leitung: Daniel Bara) und den St. Nicholas Choir Litija (Leitung: Helena Fojkar Zupančič) sowie in der gemischten Kategorie für „Mieskuoro Euga“. Der 3. Preis ging an den Chamber Choir „Sophia“ (Leitung: Alexej Shamritsky). Diese Preisträger machten auch die Sonderpreise unter sich aus. Gewinner des Oberdorfer Publikumspreises waren „Los Cantanted de Manila“, die mit einem breiten Spektrum von Claudio Monteverdi bis zu den Beatles und einem Hiphop die Zuhörer begeisterten.

Waren die Entscheidungen der Jury im vergangenen Jahr vorherseh- und nachvollziehbar, gab es in diesem Jahr viele Überraschungen. Vielleicht war der Prozess auch ein etwas anderer, und Howard Armans Fokus auf die Stilistik floss maßgeblich in die Bewertung ein? Herbert Böck, der die Jury leitete, führte in seiner Rede vor der Ergebnisbekanntgabe aus, dass trotz aller objektiven Kriterien doch ein subjektiver Gesamteindruck in Punkte gegossen wurde.

Nur so ist zu erklären, dass kein Chor in der Leistungsstufe III oder darunter eingruppiert wurde, andererseits beispielsweise der vielseitige und charmante „Staccato Chamber Choir“ aus Mexiko (Leitung: Marco Antonio Ugalde) nur in Leistungsstufe II landete.

Hoffen wir, dass sich für die 19. Ausgabe noch mehr geeignete Chöre aus noch mehr Ländern in beiden Kategorien qualifizieren können!

Barbara Lucke
15.06.2023