Kulturelle Teilhabe durch Chipkarte? Drucken

DMR und VDKC fordern Mitwirkung in der Diskussion

Von Hans-Willi Hefekäuser

In der Diskussion um die Neu-Berechnung der sog. Hartz IV – Sätze ist schon früh der Vorschlag unterbreitet worden, Leistungsbestandteile, die der Inanspruchnahme von Kultur- und Bildungsangeboten insbesondere durch Kinder dienen, nicht in bar an die Leistungsempfänger auszuzahlen, sondern in Chipkarten (oder Gutscheinen) zu verbriefen.

Was hat es damit auf sich?

Dass finanzielle Mittel für Nachhilfestunden und Musikunterricht und für die Mitgliedschaft und das Mitmachen in Chören, Orchestern und Sportvereinen zum Existenzminimum gehören, ist – erfreulicherweise – neuerdings endlich vollkommen unumstritten. Dies war bis vor kurzem durchaus noch nicht unbedingt der Fall, wie das Fehlen entsprechender Bestandteile in den bisherigen Hartz IV-Sätzen insbesondere für Kinder belegt. Der verständliche Wunsch der öffentlichen Hände, derartige Leistungen allerdings auch nur denjenigen zur Verfügung stellen zu wollen, die sie auch tatsächlich in Anspruch nehmen, hat in der Folge zur Idee mit der Chipkarte geführt. Dafür war u.a. mit ursächlich, dass es gut funktionierende Beispiele und nutzbringende Erfahrungen im In- und Ausland hierzu bereits gibt. Derartige Systeme sind besser geeignet, Mitnahmeeffekte und Fehlallokationen zu vermeiden.

Allerdings hat der Deutsche Musikrat, der als einer der ersten Kulturverbände das Chipkarten-Modell befürwortet hat, ebenso von Anfang an darauf aufmerksam gemacht, dass z.B. im Bereich der öffentlichen Musikschulen schon jetzt ein Nachfrageüberhang besteht. Bereits heute wollen viel mehr Kinder und Jugendliche die Musikschulen nutzen, als tatsächlich unterrichtet werden können. Wie soll dann erst eine nochmals erhöhte Nachfrage zufrieden gestellt werden können?

Dafür will der Bund – und das ist Bestandteil des Modells – zusätzliche Mittel in Höhe von 500 Mio € (Frau von der Leyen spricht neuerdings sogar von 600 Mio €) zur Verfügung stellen. Das heißt, dass der Bedarf sozusagen an der Quelle, also bei der Musikschule, beim Verein, beim Verband subventioniert wird. Dorthin werden die Mittel gelenkt, die die tatsächlich interessierten und aktiven Teilnehmer dann durch den Gutschein oder die Chipkarte in Form von Naturalleistungen (Unterricht, Mitgliedsbeitrag, Noten, Instrumente etc.) in Anspruch nehmen. Eventuell möglichen Diskriminierungen sozial Schwacher soll dadurch vorgebeugt werden, dass das Chipkarten-Modell auf alle ausgedehnt wird, die die Leistungen in Anspruch nehmen. Denn ob die Karte von den Eltern, dem Sozialamt oder der Arbeitsagentur aufgeladen worden ist, sieht man ihr ja nicht an.

Natürlich muss dies auch alles funktionieren und sinnvoll gestaltet werden. Das wird nicht gehen, ohne dass die Dach- und Fachverbände des Musik- und Kulturlebens an der Diskussion, an der Gestaltung des Modells und an seiner Realisierung beteiligt werden. Deshalb haben das Präsidium des Deutschen Musikrats und die Konferenz der Landesmusikräte in einer kürzlich verabschiedeten gemeinsamen Erklärung gefordert, eine gemeinsame Kommission von Politik und Zivilgesellschaft zu bilden, die die weitere Entwicklung maßgeblich mit steuert und beobachtet. Damit zeigen wir, dass wir uneingeschränkt bereit sind, in einem partnerschaftlichen Miteinander von Staat und bürgerschaftlichem Engagement politische und gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen. Frau von der Leyen wäre daher sicherlich nicht schlecht beraten, auf diesen Vorschlag einzugehen.

VDKC
23.09.2010