Ein Leben mit der Kölner Kantorei: Verabschiedung von Volker Hempfling Drucken

Persönliche Annäherung eines Weggefährten

Thumbnail imageNach über 45 Jahren verabschiedet sich Volker Hempfling, Dirigent der Kölner Kantorei, im Herbst 2014 mit einer Abschiedstournee.

Arnd Pötter, Freund und Weggefährte, würdigt den Dirigenten in einer persönlichen Annäherung:

Es ist genau 25 Jahre her, dass der Rheinischer Merkur seinen Verlagssitz in die damalige Bundeshauptstadt Bonn verlegte – ein Grund zum Feiern! Das Feuilleton war zufällig mit namhaften internationalen Komponisten der Frage nachgegangen, warum in ganz Deutschland in der Adventszeit immer „nur“ Bachs Weihnachtsoratorium aufgeführt wird. Diese Diskussion führte bei mir zu der Idee, einen der Komponisten dafür zu gewinnen,  ein Weihnachtsoratorium zu komponieren. Giselher Klebe, einer der großen deutschen Opernkomponisten der Nachkriegszeit, sagte zu.

Am 7. Dezember 1989, in jenen politisch bewegten Zeiten, wurde es im Rahmen eines Festakts des Rheinischen Merkur in der Bonner Beethovenhalle uraufgeführt. Dieses ehrgeizige Projekt drohte zu scheitern, weil es nicht gelang, einen geeigneten Chor zu finden. Uns war klar, dass bei einem zeitgenössischen Werk, dessen Partitur nach aller Erfahrung „auf den letzten Drücker“ fertig wurde, nur ein (semi)professionaler Chor in Frage kam. In meiner Not hatte ich Chormitgliedern der Kölner Kantorei, dessen Chef ich nur flüchtig kannte, nach einem Konzert in der Kölner Philharmonie „aufgelauert“ und sie mit der Bemerkung überrascht: „Sie müssen es machen!“ Nun, die Kölner Kantorei hat es gemacht – und dies war der Beginn einer nunmehr 25 Jahren währenden Freundschaft mit Volker Hempfling und seiner Kölner Kantorei.

Die Kölner Kantorei war wenige Monate später zu einer denkwürdigen Konzertreise nach Rumänien eingeladen, einige Wochen nach der Ermordung Ceausescus. Es war das erste Auftreten eines Ensembles mit geistlicher Musik nach der Diktatur. Als Dank für das Klebe-Projekt durfte ich als Pressevertreter an dieser Reise teilnehmen. Sie gehört für mich zu den denkwürdigsten Reisen, die ich je erlebt habe. Die große Not der Menschen und der Aderlass an deutschstämmigen Bürgern, die ihre Jahrhunderte alte Heimat in Siebenbürgen in Scharen verließen, gehören zu den unvergesslichen Eindrücken. Umso großartiger die Wirkung geistlicher Musik, vor allem der großen Bruckner-Messe e-moll! Auch wenn die Tränen flossen, man spürte, wie wichtig diese Konzertreise für die Menschen in Rumänien war.

Für mich als musikliebender Laie war es natürlich spannend, das „Innenleben“ eines Chores mitzuerleben. Die hohen Anforderungen des Chefs an den Chor wechselten sich ab mit wunderbaren zwischenmenschlichen Erlebnissen. Ein besonderes Ereignis war der Besuch beim Bischof in Alba Julia (Karlsburg) mit einem köstlichen Wein aus dem bischöflichen Weinkeller.

Thumbnail imageInzwischen war ich beruflich zum Nordkurier nach Neubrandenburg gewechselt, und es war mir eine große Freude, die Kölner Kantorei im Oktober 1994 nach Mecklenburg-Vorpommern einzuladen. In vier Konzerten in Neubrandenburg, Greifswald, Anklam und Stettin wurden viele Menschen mit moderner geistlicher Musik konfrontiert, die sie so bisher nicht gehört hatten. Eine solche Konzertreise so früh nach der Wiedervereinigung hatte auch politische Dimensionen. Der Organist der Johanniskirche von Neubrandenburg, den ich kurz danach traf, wunderte sich, dass der Nordkurier so mutig war, ein solches Konzert zu organisieren. Jenseits der Konzerte kam es auch zu einer Begegnung mit dem Landessuperintendenten, der Jahre zuvor aktiv am „Runden Tisch“ die Wiedervereinigung mitgestaltet hatte. Von unseren polnischen Nachbarn wurde natürlich der Abstecher nach Stettin besonders gewürdigt.

2001 gründete ich zusammen mit Volker Hempfling den „Freundeskreis Kölner Kantorei“, der auch jetzt noch den Chor finanziell unterstützt. Bei solchen Zusammenkünften erlebt man den Maestro, zusammen mit seiner Frau Birgit, auch als wunderbaren Gastgeber und großen Weinkenner.

Immer wieder habe ich davon geträumt, als Sänger der Kölner Kantorei von Anfang an dabei gewesen zu sein. Und ich würde bis heute von großen Erlebnissen mit dem Chor zehren:

  • dem Start 1968 mit der Heimat im Altenberger Dom
  • dem „Europameistertitel“ 1979 beim Wettbewerb „Let The Peoples Sing“ des BBC
  • dem 1. Preis beim ersten Deutschen Chorwettbewerb 1982 in Köln
  • der Reise nach Breslau im Jahr des Kriegsrechts 1982 mit der Botschaft „Dona nobis pacem!“ aus J. S. Bachs h-moll-Messe
  • der ersten Reise nach Jerusalem 1985 mit dem Konzert in der Dormitio-Abtei als Ort der Begegnung zwischen den drei Religionen
  • der Uraufführung der Lukas-Passion von Krzysztof Penderecki 1985 in Köln
  • den weiteren Israel-Reisen 1987 und 1988 mit Arthur Honeggers „Roi David“ und Anton Bruckners Messe e-moll auf dem Zionsberg in Jerusalem
  • weiteren Reisen in den 80er Jahren nach Polen und Ungarn
  • dem Frank Martin gewidmeten Konzert im Altenberger Dom im September 1990, bei dem Thomas Quasthoff die Zuhörer mit den „Jedermann-Monologen“ zu Tränen rührte
  • beim Gewinn des 1. Preis beim Internationalen Chorwettbewerb in Tolosa/Spanien 1998
  • der USA-Reise 1999 und der Russland-Reise 2001 („Goldener Ring“)
  • dem großartigen Adventskonzert in Groß St. Martin in Köln am 07.12.2012 mit Hunderten von Zuhörern.

Einen ganz neuen Akzent setzte Volker Hempfling 2007 mit dem Chorbuch „Lore-Ley“. Diese beim Carus-Verlag erschienene Edition eines deutschen Volksliederbuches für gemischte Chöre hat sich in kurzer Zeit als „Klassiker“ etabliert.

Im Januar dieses Jahres vollendete Volker Hempfling sein 70. Lebensjahr, und nach über 45 Jahren gilt es, die Leitung seiner Kölner Kantorei nun in jüngere Hände zu legen. Eines seiner Abschiedskonzerte, das in der Bonner Schlosskirche am 14. September 2014, zu organisieren, war für mich eine gute Gelegenheit, Dank zu sagen. Volker Hempfling, international auch als Juror gefragt, wird der Musik erhalten bleiben – und uns als Freund.

Arnd Pötter, VDKC
15.09.2014