Robert-Franz-Singakademie Halle: 200… und kein bisschen leiser Drucken

Etablierter Chor beging 200. Jahrestag seiner Gründung

Thumbnail imageMit einer Ausstellung im Stadtmuseum der Stadt Halle, mehreren Vorträgen und einer Festaufführung des „Paulus“ von Felix Mendelssohn Bartholdy machte die Robert-Franz-Singakademie auf den 200. Jahrestag ihrer Gründung aufmerksam.

Die Ausstellung im Museum widmete sich neben der Darstellung von Gründung und Geschichte der Singakademie, welche zu den ältesten in Deutschland zählt, den Fragen nach den Persönlichkeiten der Gründer, der Mitglieder und deren Stellung und Einfluss auf das Leben der Stadt Halle. Die Gründung der Singakademie erfolgte im Zuge der Befreiungskriege und der bürgerlichen Bestrebungen dieser Zeit durch den Universitätsmusikdirektor Johann Friedrich Naue und den Professor Johann Gebhard Ehrenreich Maaß, in dessen Wohnung die ersten Proben der ca. 30 Sängerinnen und Sänger stattfanden. Als erstes Konzert ist eine Huldigung an den preußischen König am 3. August 1814 in der Halleschen Domkirche überliefert. Die Zahl der Sänger, darunter Ärzte, Professoren, Geistliche, Industrielle und Juristen sowie deren Frauen, nahm schnell zu, so dass Mitgliedszahlen von 400 bei ca. 100 aktiven Sängerinnen und Sängern erreicht wurden. Zur damaligen Zeit hatte die Stadt Halle nur ca. 30.000 Einwohner. Heute umfasst die Singakademie ca. 70 Sänger bei 230.000 Einwohnern.

1842 übernahm Robert Franz die Leitung des Chores und schuf mit seinen Bearbeitungen der Werke von Bach und Händel ein dem Zeitgeist angepasstes Repertoire. Ein besonderer Höhepunkt waren die Feierlichkeiten zur Einweihung des Händeldenkmals auf dem Marktplatz anlässlich des 100. Todestages des Komponisten. Krankheitsbedingt musste Robert Franz 1867 die Leitung des Chores niederlegen. Unter seinem Nachfolger Felix Voretzsch kam es aufgrund von Meinungsverschiedenheiten über die Aufführungspraxis, insbesondere der Händelschen Werke, 1881 zum Bruch der Singakademie. Die Anhänger der Franz’schen Auffassungen arbeiteten unter der Leitung von Otto Reubke weiter, während Voretzsch die „Neue Singakademie“ gründete. Diese Konstellation der zwei Singakademien in Halle blieb bis Anfang der 1920er Jahre bestehen. Dann vereinigten sich die seit 1907 als „Robert-Franz-Singakademie“ bezeichnete (alte) Hallesche Singakademie und die „Neue Singakademie“ wieder unter der Leitung von Alfred Rahlwes, der seit 1911 die Leitung der Robert-Franz-Singakademie innehatte und bis zu seinem Tode 1946 behielt. Bis dahin bestand das Konzertprogramm im Wesentlichen aus den Trauermusiken zum Totensonntag und zwei bis drei Oratorien im Laufe des Jahres. Das blieb auch unter den folgenden Chorleitern Hans Stieber und Piersing so. 1953 schloss sich die Robert-Franz-Singakademie mit dem damaligen Staatlichen Sinfonieorchester Halle zusammen, dessen Chefdirigenten gleichzeitig die Leitung des Chores übernahmen. Das Repertoire erweiterte sich um die Auftritte zu den Händelfestspielen, Gestaltung von Festakten und Jugendweihen und die zahlreichen Aufführungen der 9. Sinfonie von Beethoven zum Jahreswechsel. Weiterhin wurde die Singakademie auch in den Sinfoniekonzerten eingesetzt.

Thumbnail image1967 wurde aber wieder ein eigenständiger Chorleiter für die Singakademie eingesetzt, Hartmut Haenchen. 1971 wurde dann aus dem Staatlichen Sinfonieorchester Halle, dem Stadtsingechor und der Robert-Franz-Singakademie die Hallesche Philharmonie gebildet. Nach Hartmut Haenchen übernahmen Wolfgang Unger und danach Christian Schicha die Leitung des Chores. Die Zusammenarbeit mit dem Orchester blieb auch nach der Umstrukturierung  zum Philharmonischen Staatsorchester erhalten, wobei aber der Umfang der Konzerte außerhalb des traditionellen Repertoires deutlich abnahm. Ebenso reduzierte sich die Teilnahme an den Händelfestspielen aufgrund der stärkeren internationalen Ausrichtung derselben. Gothart Stier, der 1995 die Leitung des Chores übernahm, belebte die Tradition der jährlichen Aufführung der Passionen zu Karfreitag, so dass die Johannes-Passion von J. S. Bach 2005 in Rom aufgeführt werden konnte und 2014 die Aufführung in Bratislava unter Leitung von Frank-Steffen Elster möglich war, der von 2011 bis 2014 künstlerischer Leiter der Robert-Franz-Singakademie war.

Die Vereinigung von Staatsorchester und Opernhausorchester zur Staatskapelle sowie die Chorleiterwechsel brachten strukturelle Änderungen, so dass im 200. Jahr des Bestehens der Singakademie das  Fortbestehen nicht gesichert ist. Deshalb 200… und kein bisschen leise erheben wir unsere Stimmen, um es auch weiterhin tun zu können und damit das kulturelle Leben der Stadt Halle zu bereichern.

Anlässlich des Festkonzertes zum Jubiläum am 26.09.2014 im Dom zu Halle würdigte Konstanze Sander, VDKC-Vizepräsidentin, den Chor mit folgender Laudatio:

„Liebe Sängerinnen und Sänger, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Gäste,

1814 bis 2014 – 200 Jahre besteht die Singakademie Halle. Das macht Ihnen so leicht keiner nach. Es gibt nur wenige Institutionen, die eine so lange Lebensdauer haben. Oft schaffen das nicht einmal Staaten, wie wir alle noch in guter Erinnerung haben.

Was passierte außer der Gründung Ihrer Singakademie sonst noch im Jahre 1814?

Politisch war es schon ein bedeutendes Jahr. Die Befreiungskriege gingen mit der Abdankung Napoleons und seiner Verbannung auf die Insel Elba zu Ende. Der Wiener Kongress beginnt und schließt ein Jahr später die Neuordnung Europas ab. In Übersee endet der britisch-amerikanische Krieg. In Spanien wird unter Ferdinand VII. die Zensur und die Inquisition wieder eingeführt.

Aus der Musikgeschichte ist erwähnenswert, dass der Komponist Johann Friedrich Reichardt in Giebichenstein stirbt, nachdem er zuvor Salineninspektor in Halle war und er Giebichenstein zum Treffpunkt wichtiger  literarischer und philosophischer Romantiker machte. Schließlich wurde am 23. Mai 1814 im Theater am Körnertor zu Wien die endgültige Fassung von Beethovens „Fidelio“ uraufgeführt.

Auf der website der Stadt Halle, die über die Stadtgeschichte Auskunft gibt, findet sich zwischen 1813 und 1817 kein Eintrag. Als Vizepräsidentin des Verbandes der Deutschen Konzertchöre rate ich dazu, die Chronik geringfügig zu korrigieren, denn Sie und wir, Ihre Gäste, feiern heute einen Teil der Stadtgeschichte.

Und dazu überbringe ich Ihnen, dem Chor und seinem Publikum die besten Grüße unseres Verbandes. Wir wünschen dem Chor weiterhin eine hohe Qualität des Gesangs, Neugier auf Unbekanntes, das dauerhafte Wohlwollen der Kulturpolitik und stets die Gunst des Publikums.

‚Singen ist eine feine, edle Kunst und Übung. Es hat nichts zu tun mit der Welt, es ist nicht vorhanden auf dem Marktplatz der Streitigkeiten. Es sorgt sich, wer singt nicht viel, er vertreibt alle Sorgen und ist guter Dinge.‘

Es ist ja ein bisschen idealistisch, was Martin Luther hier sagt, aber wenn Sie liebe Sängerinnen und Sänger durch Ihren Gesang mithelfen, alle Sorgen zu vertreiben, ist ein gut Ding für Sie und die Stadt getan."

Andreas Wichmann, Robert-Franz-Singakademie Halle, Konstanze Sander, VDKC
04.12.2014