Lidl fun goldenem land – ein Konzertprojekt des Leipziger Synagogalchores Drucken

Jiddische Folklore als Konzertrepertoire

Thumbnail imageSeit über 50 Jahren ist jiddische Folklore ein fester Bestandteil des Repertoires des Leipziger Synagogalchores: Die ersten Bearbeitungen entstanden in den 60-er Jahren durch den Chorgründer Werner Sander, in den 80-er Jahren schuf der Komponist Friedbert Groß zahlreiche Arrangements für gemischten Chor, Klavier und Orchester. Diese Stücke haben über Jahrzehnte den Weg in die Herzen des Chores und des Publikums gefunden, doch nun kam die Lust auf Neues. Mit der Unterstützung der Schering Stiftung Berlin konnte ein wegweisendes Projekt umgesetzt werden: Zwölf neue Bearbeitungen jiddischer Lieder sind für die Konzertbühne entstanden, ein komplettes Konzertprogramm. International renommierte Arrangeure – Matthias Becker (Frankfurt am Main), Reiko Füting (New York), Juan Garcia (Halle/Saale), Walter Thomas Heyn (Wandlitz), Fredo Jung (Altenburg), Philipp Lawson (London) und nicht zuletzt der Künstlerische Leiter Ludwig Böhme selbst – haben sich durch die Melodien inspirieren lassen und anspruchsvolle, farbenfrohe und innovative Arrangements geschaffen. Die neuen Bearbeitungen bieten eine eindrucksvolle musikalische Vielfalt für gemischten Chor, Solisten, a cappella oder mit Klavier, Violine und Kontrabass. Sie erwecken den großen melodischen und emotionalen Reichtum der traditionellen Lieder zeitgemäß und kreativ zu neuem Leben. Berührend und musikantisch, voll heiterer Melancholie, voll ernster Leichtigkeit – die Lieder erzählen von der Sehnsucht nach einem besseren Ort („Dos Lidl fun goldenem land“), vom Leben im Moment ohne Gestern und Morgen („S’is nito kejn nechtn“), von der Erinnerung an die ferne Kindheit („Huljet kinderlech“, „Kinderjorn“, „Mojschele majn frajnd“), von Entbehrung, Unterdrückung und Verfolgung („Dem milners trern“, „Majn rueplatz“), von vernunftraubender Liebe („Du solst nischt gejn mit kejn andere mejdelech“), vom Tanz auf Hochzeiten („In rod arajn“), von der Behütung durch die Mamme („Ojfn weg schtejt a bojm“), vom Alkohol, der Lebensentscheidungen prägte („Di maschke“) bis hin zum täglich wiederkehrenden Kartoffelgericht („Bulbes“). Nicht alle Autoren sind bekannt, einige Lieder stammen aus der Feder von Mordechaj Gebirtig, Itzik Manger, Morris Rosenfeld und Michl Gordon. Im November 2015 war die Premiere des Konzertprogramms im ausverkauften Festsaal des Alten Rathauses zu Leipzig zu erleben. Mit dem Leipziger Synagogalchor sangen Anja Pöche (Sopran) und Falk Hoffmann (Tenor), es musizierten Ulrich Vogel (Klavier), Henrik Hochschild (Violine) und Claus-Peter Nebelung (Kontrabass), einfühlsam und komödiantisch führte Thomas Streipert (Schauspieler, Sprecher, Bariton) durch das Programm. Das Publikum folgte der Atmosphäre der Lieder, ergriffen, bewegt, gebannt, in stiller Spannung, schmunzelnd und mit befreitem Lachen, als Falk Hoffmann sein schauspielerisches Talent als betrunkener Bräutigam entfaltete. „In rod arajn, mit frejd ojf ale decher – Herein in den Kreis, mit Freude in allen Häusern“ – so endete das Programm quasi mit dem Aufruf zu einem fröhlichen Miteinander auf dieser Welt. Für 2016 ist eine CD-Aufnahme geplant. Eine Edition der Arrangements soll die Aufführung der Stücke auch anderen Chören ermöglichen.

Franziska Menzel
08.12.2015