Auf Antrag des VDKC wurde im Rahmen der entsprechenden UNESCO-Konvention die „Chormusik in deutschen Amateurchören" in das bundesweite Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes aufgenommen.
Der VDKC ist Mitglied im
Wir begrüßen herzlich im Verband:
Dirigentin: Maria Jürgensen
25 Chormitglieder
VDKC-Landesverband Nordwest
BLACK FOLDER
Die ultimative Chormappe aus Kanada
Geschenk für Ehrungen:
BRONZEN VON E.G. Weinert
VDKC SCHRIFTENREIHE
Robert Schumanns Missa sacra op. 147: Ein vertonter „Welt-Text“ - eine Fundgrube für Chöre |
Tilman Lücke im Werkstattgespräch mit Wolfgang KläsenerTilman Lücke: Das breite Publikum kennt von Robert Schumann vor allem die Liederzyklen und die Kammermusik - eine große „heilige Messe“ für Chor und Orchester oder Orgelbegleitung wirkt da etwas exotisch. Welche Stellung nimmt denn die Missa sacra in seinem Werk ein? Entscheidend ist aber, dass Schumann sich nicht an eine bestimmte Konfession oder Religionsgemeinschaft wendet, sondern an ein allgemein-religiöses, naturreligiöses Grundgefühl. So wie es im Zeitalter der Romantik, im Zeitalter des Sturm und Drang von vielen Künstlern empfunden wurde. Für uns heute macht das die Messe attraktiv auch für Chöre, die sich sonst mit weltlicher Musik beschäftigen - sie können da auch mal in geistliche Musik „hineinschnuppern“.
Ihr Ensemble, die Kantorei Barmen-Gemarke in Wuppertal, tritt seit der Gründung 1946 gleichermaßen im Konzertbetrieb wie in regelmäßigen Kantate-Gottesdiensten auf. Wie sind sie auf diese Messe gestoßen?
Robert Schumann schrieb die Messe 1852 in Düsseldorf, wo er zwei Jahre zuvor das Amt als „städtischer Musikdirektor“ angetreten hatte. Hat er damit seinen Kulturschock verarbeitet, den Wechsel der Umgebung vom ostdeutschen, sächsischen Protestantismus in den rheinischen Katholizismus? Also eine Gefälligkeitskomposition an das katholisch geprägte Umfeld geschrieben?
Wie komponiert er diese Freiheit? Wie wirkt sich das im Detail aus - zunächst einmal in den ersten beiden Sätzen, dem Kyrie und dem Gloria? Beim folgenden Gloria ist es ähnlich, zunächst steht natürlich der Lobpreis Gottes, das große „Ehre sei Gott in der Höhe!“ im Vordergrund. Dieses wird aber auf zwei verschiedene Weisen vertont: am Anfang eher plakativ, hymnisch, homophon und mit einem fugierten Abschnitt, bei dem das „Gloria in excelsis Deo“ durch die Stimmen geführt wird. Erst in den folgenden Passagen - „Et in terra pax“ und „Laudamus te, benedicimus te“ - geht dann Schumann Abschnitt für Abschnitt vor und vertont konkreter den Text und geht von Idee zu Idee, von Empfindung zu Empfindung. Erstmalig im Verlauf der Messe komponiert er ein Sopran-Solo über die Worte „Gratias agimus tibi“. Wenn ich auf diesen Anfang der Messe aus der Sicht der klassischen Kirchenmusik schaue, dann denke ich, dass weniger das einzelne Wort vertont ist, sondern eher die Idee, der Gedanke oder die Stimmung des Gedankens. Insofern könnte man sogar sagen, dass es im eigentlichen Sinne gar keine traditionelle „Vertonung“ ist, sondern ein „Entlangkomponieren“ am Text. Der bietet eben sehr viele facettenreiche Gesten und wurde dadurch für Schumann so interessant.
Es gibt aber auch Wendungen, die deutlich in der Tradition der Messvertonungen stehen - wenn er „Et in terra pax“ als dunkel-düstere Bewegung in die Tiefe komponiert und dem expressiven „Gloria“ gegenüberstellt.... Sie hatten ein Sopran-Solo schon angesprochen, es werden ja außerdem auch ein Tenor- und ein Bariton-Solist benötigt - stellt die Messe hohe technische Anforderungen an diese Sänger? Wenn wir schon über die Besetzung sprechen: Schumann selbst hat sowohl eine Orgelbegleitung als auch eine Orchesterfassung notiert. Welche bevorzugen Sie? Die Orgelfassung hat den Vorteil, dass wir sie günstiger und einfacher aufführen können, auch an entlegenen Orten, wo die Orchesterfassung die Möglichkeiten sprengen würde. Sie hat mit einer guten Disposition an der Orgel auch durchaus ihren Reiz, weil sie dann nämlich besonders in die Innigkeit zurückgehen kann. Sehr charaktervoll können dann die Kontraste hervortreten zwischen dem lyrischen Piano und dem lobpreisenden Fortissimo - durch die Registerwahl, durch die Wechsel der Manuale und durch das Schwellwerk. Sind die Anforderungen an den Organisten so hoch, dass man ihn auf jeden Fall eigens besetzen muss? Oder wäre auch eine Chorleitung von der Orgel aus denkbar? Nach dem gut vierminütigen Kyrie und dem knapp zehnminütigen Gloria folgt als dritter Satz das Credo. Für den vergleichsweise umfangreichsten Text der Messe schreibt Schumann relativ wenig Musik, so dass das ganze Glaubensbekenntnis nur siebeneinhalb Minuten dauert.
Nach dem Credo wendet Schumann den Charakter der Messe auf eigentümliche Weise ganz nach innen, indem er ein Offertorium folgen lässt in Form eines eingeschobenen Satzes für Sopran-Solo und Begleitung; eine ganz stille Marienverehrung, die das Werk geradezu zur Ruhe kommen lässt.... Musikalisch ist dieses Offertorium für Sopran-Solo und Begleitung „Tota pulchra es“ sehr, sehr schlicht und wunderbar vertont - auch dies kann mühelos von einer gut ausgebildeten Sopran-Stimme aus den Reihen des Chores gesungen werden. Der umfangreichste Satz der Messe ist das folgende Sanctus mit fast zwölf Minuten Dauer. Auch dies geht recht frei mit der liturgischen Norm um. Das „Benedictus“ hingegen wird vom Solo-Tenor getragen, der hier vielleicht keine besonders anspruchsvolle Partie zu singen hat, aber doch immerhin bis zum g’’ im oktavierenden Violinschlüssel notiert. Eine etwas ausgebildete Stimme ist also schon wünschenswert, aber stimmtechnisch bestehen sonst keine herausgehobenen Ansprüche, so dass man es mit einem sehr guten Chorsolisten auf jeden Fall realisieren könnte. Das Sanctus wird dann am Schluss im Sinne einer Reprise, einer Apotheose noch einmal wiederholt und gibt diesem Teil einen wunderbaren Rahmen - bevor dann der Satz mit einer recht virtuosen Schlussfuge auf dem Wort „Amen“ zu Ende geht. Fugen dieser Art - ein Charakteristikum der Messvertonungen alter Zeit - gibt es in Schumanns Messe nur wenige. Folgt daraus, dass die Messe für den Chor leicht einzustudieren ist, weil das mühsame Durchbuchstabieren komplexer Kontrapunkte entfallen kann? Wenn man denn in diesem Sinne von einer Schlussfuge des Sanctus’ überhaupt sprechen kann - in jeden Fall macht es Schumann dem Chor von der Textseite her leicht, indem er ihn lediglich „Amen“ singen lässt... Der dann mit dem abschließenden Agnus Dei erfolgt. Die Gesamtaufführungsdauer von einer guten Dreiviertelstunde ist ja vielleicht für ein ganzes Konzert zu wenig - was könnte man denn für eine Aufführung noch dazustellen? Für mein Empfinden kann man dieses Dilemma sehr gut dadurch lösen, dass man musikalisch einen neuen Kontext schafft, dabei allerdings nicht den Sitz im Leben des Ordinarium Missae anders darstellt, sondern indem man einen musikalischen Kontrast, ein anderes musikalisches Gegenüber schafft. Wir haben das so gelöst, dass wir jedem Satz von Schumann eine andere Komposition eines Kyrie, eines Gloria, eines Sanctus und so weiter gegenüberstellen. Sehr reizvoll ist auch die Möglichkeit, der textreichen Missa sacra - 45 bis 50 Minuten Text -, Instrumentalmusik gegenüberzustellen, um dort eine Kontrastzone, eine Ruhezone zu schaffen. In jedem Fall wird Schumanns Missa in einem Konzertprogramm den ersten Platz einnehmen, weil es eine sehr schlüssige, runde Ordinariums-Vertonung ist, die in sich so viele musikalische Bezüge hat, dass sie auch durch Unterbrechungen nicht an Gesamtzusammenhang verlieren wird. Wenn die Erarbeitung der ganzen Messe einen Chor zu überfordern droht - schließlich ist es wohl für fast alle Sänger Neuland -, sind dann auch Teilaufführungen sinnvoll? Auch Schumann selbst hat ja zu seinen Lebzeiten lediglich Kyrie und Gloria aufgeführt. Diese Behutsamkeit ist ja vielleicht besonders gefordert, weil das Werk nicht ganz leicht zu erarbeiten ist. Zwar gibt es, wie sie sagten, nicht viele komplizierte Fugenpassagen, aber doch komplexe Harmonien und viele Piano-Stellen, die dem Chor abverlangen, genau und schön und leise zu singen. Ich denke, darin liegt ein besonderer chorpädagogischer Reiz dieses Werkes. Gerade die Piano-Stellen sind äußerst dankbar, was die Vermittlung von stimmtechnischen Fertigkeiten betrifft, um einen ganz spezifischen Ausdruck oder bestimmten Affekt zu erzielen. Da ist die Musik sehr suggestiv: Auch der Laiensänger spürt unmittelbar, in welche Stimmung, in welche Atmosphäre Schumann mit seinen Klängen hineinführen will. Das hilft stimmtechnisch außerordentlich, um auch anspruchsvolle Stellen, zum Beispiel bei einem getragenen Pianissimo im Sanctus, zu bewältigen und die schwebenden Klänge zu verwirklichen, die der Komponist sich wünscht. Der Orgelpart oder der Orchesterpart unterstützen das zusätzlich, indem Farben gemalt werden - gerade im Sanctus -, die sehr weite, sphärische Flächen und Klänge erzeugen, so dass es dem Sänger ausgesprochen leicht gemacht wird, die Singweise, die Schumanns Musik braucht, auch zu realisieren. Die Messe gehört ja zum Spätwerk Schumanns, das im Verlauf der Geschichte schon unter einigen ziemlich dummen Vorurteilen gelitten hat; entweder unterstellte man vorausweisende Zeichen der Nervenkrankheit des Lebensendes oder man vermisste das jugendlich-stürmerisch Drängende und Formsprengende. Dient die Messe auch als Gegenbeispiel für solche Abqualifizierungen? Solche Katalogisierungen wie Früh- oder Spätwerk sind ja überhaupt nur anfangs hilfreich, wenn man sich erstmals einem Komponisten nähert. In Bezug auf die Missa sacra führen sie eher in die Irre, als dass sie helfen würden. Das Werk ist zugleich voll von Sturm und Drang, aber auch voll von außerordentlich ungewöhnlichen Ideen, die einem Spätwerk im Sinne eines kompositorisch reichen Lebenswerks zuzuordnen wären. Was im Einzelnen dem einen oder dem anderen geschuldet ist, möge der Hörer nach einer gelungenen Aufführung selbst entscheiden. In jedem Fall birgt das Werk so vielfältige Anregungen für Interpreten wie für Hörerinnen und Hörer, dass es sich allemal lohnt, sich damit zu beschäftigen.
Sie haben dies mehrmals getan – in insgesamt drei Aufführungen der Kantorei Barmen-Gemarke in Wuppertal und Zwickau 2006 und 2010. Einmal mit Orgel, einmal mit Orchesterbegleitung – und dann wieder mit Orgel… Wir sind dann wieder zur Orgelfassung zurückgekehrt und konnten im Rückblick auf die damalige Einstudierung schon unterschiedliche Akzente setzen. Zum Beispiel die stürmerischen, drängenden Akzente noch intensiver herausarbeiten und den sphärischen Klängen noch mehr Ruhe geben - also die erste Interpretation noch ein bisschen in die Tiefe ausreifen lassen. Wenn man die Möglichkeit hat, es mit Orchester aufzuführen, welche besonderen Qualitäten werden dem Orchester abverlangt? Wichtig ist, dass dem reich besetzten Orchester auch ein ausreichend stark besetzter Chor gegenüber steht: 80 bis 90 Sängerinnen und Sänger sollten es schon sein, wenn es 120 sein könnten, umso besser. Andererseits muss man klar sehen, dass viele Passagen eher chorische Kammermusik sind und gar nicht so sehr den ganz großen Gestus brauchen, d.h. auch ein großer Chor sollte sehr beweglich, klanglich überaus subtil agieren und den vielen Herzensregungen, die der Komponist zum Ausdruck bringt, ausreichend Raum geben. Wie waren denn die Publikumsreaktionen bei den Aufführungen? Diese Probleme sind heute so nicht mehr vorhanden, im Grunde kann man sich heute darüber freuen, dass Publikum und Interpreten sich offen jedem Werk und jeder Neuentdeckung stellen. Schumanns Musik bietet dazu reichhaltig Anlass. Eine gute Interpretation, die eine bewusste, eigene Haltung zu Schumanns Musik erarbeitet hat, wird allemal das Publikum faszinieren. Tilman Lücke Informationen: Bernhard R. Appel (Hrsg.): Robert Schumann: Missa sacra (liturgisch), op. 147, nach Robert Schumann "Neue Ausgabe sämtlicher Werke" Band IV/3/2, gemischter Chor (SATB) und Orgel, Bestell-Nr.: ED 8025, Preis: 32,99 EUR zzgl. Versandkosten. Direktbestellung beim Verlag
|
CHOR und KONZERT 2022 ist erschienen |
Verbandszeitschrift des VDKCFreude im VDKC-Generalsekretariat: Die Jahresausgabe von CHOR und KONZERT ist aus der Druckerei gekommen! Das Heft versammelt die VDKC-Beiträge des Jahres 2022 in gedruckter Form. Hier lässt sich noch einmal prima nachlesen, was im vergangenen Jahr alles an spannenden und wissenswerten Artikeln veröffentlicht wurde. CHOR und KONZERT ist ab sofort auch im VDKC-Shop zu erwerben: hier. VDKC |
Der schlaue Fuchs Amu (der Name steht für "Amateurmusik") gibt Antwort auf Fragen rund um die Amateurmusik. Das Infoportal bündelt zahlreiche Angebote zu Wissen, Praxis und Beratung: